Am Samstag, den 29.10.2022 fuhr eine Gruppe von ca. 25 Interessierten ins Fuchstal. Eine Gemeinde mit 4.200-Einwohnern, südlich von Landsberg. Die Initiative und Organisation wurden von dem BUND übernommen.
Dort angekommen wurden wir um 10:00 Uhr vom Fuchstaler Bürgermeister Erwin Karg empfangen. Er erzählte von den Anfängen des Ausbaus der Erneuerbaren Energien bis hin zu den Zukunftsplänen und führte uns informativ, unterhaltsam und mit dem ein oder anderen markanten Spruch durch den Vormittag.
„Das Geld bleibt in der Gemeinde.“ – Energiewende made by Fuchstal
Das war das wichtigste Motto, das wir mitnehmen sollten. Diese Botschaft hat der Fuchstaler Bürgermeister gleich zu Beginn betont.
Ausgestattet mit dem Energieplan der Gemeinde hat Erwin Karg uns die unbewussten Anfänge der Energiewende im Jahr 2006 erklärt. Damals hatte ein Bürger der Gemeinde eine große PV-Anlage auf seiner Landwirtschaftlichen Halle installiert. Das war maßgebend fürs Fuchstal, laut Erwin Karg. Denn dies sei eine derjenigen Personen, die nichts machen würde, wenn es sich nicht rentieren würde.
Circa drei Jahre später, um 2009, wurde dann die Anfangsidee für ein Nahwärmenetz geboren. Die Initiative ging von einem lokalen Landwirt aus, der die Abwärme aus der Biogasanlagen nicht verschwenden wollte. Zu Beginn wurde u.a. die örtliche Schule an das Nahwärmenetz angeschlossen. Die veraltete Ölheizung blieb dabei noch als Back-up, sodass man zur Not darauf zurückgreifen hätte können.
Um die Abhängigkeit von Biogas-Abwärme allein zu vermeiden, wurde das Nahwärmenetz später um eine Hackschnitzelanlage als zweite nachhaltige Wärmequelle ergänzt. Ein Vorteil dabei war, dass die Gemeinde dort ein Vorrecht besitzt, um die „Abfälle“ aus dem Gemeindewald vor Ort zu verwenden.
Im Jahr 2013 haben sie dann mit der Planung von 4 Windkraftanlagen im Wald begonnen, die 2016 gebaut wurden. 2023 sollen drei weitere, neue Windkraftanlagen fertig gestellt werden, die seit 2018 geplant werden. Das interessante in diesem Fall ist, dass alle Anlagen zu zwei Drittel mit Fremdkapital und zu 1/3 mit Eigenkapital finanziert wurden.
2/3 Fremdkapital, 1/3 Eigenkapital (50% Gemeinde, 50% Bürger)
Das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass die Gemeinde das Risiko trägt, aber eben auch unabhängig von Investoren bleibt – und ganz nach dem am Anfang genannten Motto, bleibt das Geld so in der Gemeinde. Spannend war für uns, dass die Beteiligung, wie Kapitalanlagen, generell von der BaFin geprüft werden müssen. Die Renditen im Fuchstal übertreffen mittlerweile die anfänglichen, konservativen Schätzungen.
Eindrücke unter einer Windkraftanlage im Betrieb
Einer der Windkraftanlagen haben wir uns dann auch vor Ort angeschaut, um uns einen Eindruck vor Ort zu machen. Ich für mich selbst habe drei Haupteindrücke mitgenommen:
- Breite Waldwege – Die überraschend breiten – quasi zweispurigen – Waldwege waren außergewöhnlich. Sie sind nötig, um die Flügel für die neuen Anlagen in einem Stück liefern zu können.
- Geräusche – Direkt unter der Anlage waren kaum Geräusche zu hören. Nur ein dauerhafter und hoher Ton des Wechselrichters vor Ort war wahrzunehmen.
- Schattenwurf – Leider konnten wir vor Ort aufgrund Sonnenstands keine Erfahrungen mit dem Schattenwurf sammeln. Wenn der Schattenwurf allerdings die Lebensqualität der Bewohner in unmittelbarer Nähe einschränkt, werden in der Praxis entsprechende Auflagen eingeführt. Das heißt die Anlagen werden z.B. zu bestimmten Zeiten runtergefahren, vor allem wenn Menschen betroffen wären. Denn letztendlich sollte die Lebensqualität der Bewohner nicht darunter leiden, um die Akzeptanz vor Ort sicherzustellen.
Die Energiezukunft in Fuchstal
2018 hat das Fuchstal angefangen mithilfe eines Förderprojekts des Bundes die „Energiezukunft Fuchstal“ aufzubauen, ein Projekt, das 2022 fertig gestellt wurde. Die “Energiezukunft” ist zunächst einmal ein Ort an dem sich ein überdimensionierter 5000m³-Wasserkocher-, ein 4,7MW-Wärmespeicher und eine große 5,8MW-Batterie befinden. Dort findet das Prinzip der Sektorenkopplung Anwendung, in diesem Fall also eine Kopplung der Wärme- und Stromnetze.
So kann man die Energieeffizienz steigern, indem man vor allem die Möglichkeit schafft den Stillstand von (Windkraft-)Anlagen zu umgehen und stattdessen den Strom (Negativstrom) zu einem Power-To-Heat-Modul zu leiten, der dann in Wärme umwandelt wird. Überschüssiger Strom wird in diesem Kontext auch “Negativstrom” bezeichnet und entsteht immer dann, wenn es ein Überangebot an Strom gibt, die Erzeugung also größer als der Verbrauch ist. Gerade nachts und über den Jahreswechsel oder zu (urlaubsbedingten) Betriebsschließungen von großen Unternehmen kommt es immer mal wieder vor. Wie genau die Energiezukunft funktioniert wird hier in diesem Video erklärt.
In Zukunft verfolgt die Gemeinde Fuchstal das Ziel bis 2030 energieautark zu werden.
Nach der eindrucksvollen und inspirierenden Führung ist ein Großteil der Gäste noch gemeinsam in einer Wirtschaft eingekehrt, bevor wir in Fahrgemeinschaften nach Hause gefahren sind.
Mein Fazit
- In Fuchstal ist ein mutiger Bürgermeister und Gemeinderat mit der Verwaltung und einigen Menschen vor Ort auch gegen Proteste vor Ort ein Risiko eingegangen, das sich heute auszahlt.
- Das Leitmotiv „Das Geld muss in der Gemeinde bleiben.“ hat sich mittlerweile zu „Das Geld bleibt in der Gemeinde gewandelt.“
- Wir brauchen eine starke Kommune, in der die Wertschöpfung im Ort bleibt und der Allgemeinheit zugutekommt, z.B. durch kommunale Strom-Erzeugung, ein kommunales Nahwärmenetz und kommunalen Wohnungsbau.
Meine Einschätzung
Wir brauchen eine Bobinger Lösung und sollten das Fuchstal nicht stumpf kopieren, sondern die Gemeinde als Inspiration und Vorbild nutzen. Denn die Zeiten sind anders, die Menschen sind anders, und ja auch die wirtschaftlichen und politischen Voraussetzungen sind anders.
Bobingen gehört das Stromnetz – Fuchstal nicht. Bobingen hat einen großen Industrieort – Fuchstal nicht. Aber gemeinsam haben wir die Aufgabe die Energiewende anzugehen – und ja auch wir in Bobingen haben potenziell geeignete Windflächen. Lasst Sie uns – für uns – nutzen.
Ich freue mich auf die kommenden Diskussionen im Stadtrat und vor allem mit den Bobingerinnen und Bobingern. Lasst uns gemeinsam einen Bobinger Weg entwickeln und vor allem die Energiewende endlich ernsthaft anpacken.
Herzlichen Dank an den BUND für die Initiative und die Organisation der Fahrt ins Fuchstal.